. Grundproblem der volkswirtschaftlichen Theorie - 21 bis 23

21 Das Kostengesetz

Die eigentliche Schwierigkeit der klassischen Preislehre lag nicht darin, ob das Gesetz von Angebot und Nachfrage, oder das Kostengesetz stärker betont werden müsse, sondern anderswo. Schon Ricardo sah nämlich ganz klar, dass das Kostengesetz kein allgemeines Preisgesetz ist. Er beginnt auch seine Wert- bzw. Preislehre mit der Feststellung, es gäbe Güter, welche nicht vermehrt werden können. Ihr Wert also auch ihr Preis könne folglich nicht durch die Produktionskosten, sondern nur durch ihre Seltenheit sowie durch die Kaufkraft und Kauflust der Konsumenten bestimmt werden. So kommt Ricardo zur Unterscheidung zwischen vermehrbaren und nicht vermehrbaren Gütern.

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Das von Malthus stark betonte (jedoch schon von Anderson und West erkannt) Gesetz vom abnehmenden Bodenertrag machte eine weitere Unterscheidung nötig. Laut diesem Gesetz kann das Angebot an Bodenprodukten nur mit steigenden Kosten vermehrt werden, da entweder schlechter Boden in Anbau genommen, oder die bebaute Fläche intensiver bewirtschaftet werden muss, was nur mit steigenden Kosten möglich ist, da der Ertrag des Bodens nicht im Verhältnis mit den aufgewendeten Kosten wächst. Die Vermehrung der Güter bzw. des Angebotes steht sonach nicht bei allen Gütern unter demselben Gesetz. Dies haben Malthus und Mac Culloch den Ricardoschen Grundgedanken weiterbauend klar herausgearbeitet. Während die Agrarprodukte unter dem Gesetze des abnehmenden Ertrages unterworfen sind, und demnach bei zunehmender Nachfrage im Preise steigen müssen, gilt für die Industrieprodukte das Gesetz des zunehmenden Ertrages, wie es das im Werden begriffene kapitalistische Zeitalter bewies, weshalb hier die Zunahme der Nachfrage ein Sinken der Preise begünstigen müsse. Später wurde von Marshall diesen Ertragsgesetzen ein Drittes, jenes des ständigen Ertrages beigefügt, welches besagt, dass in gewissen Fällen die Ausdehnung der Nachfrage das Verhältnis von Kosten und Ertrag nicht beeinflusst und so von der Produktionsseite her keinen Einfluss auf die Preisgestaltung besitzt.

Diese Beachtung der Ertragsgesetze ist für die Preisbildung von großer Bedeutung, weil sie die verschiedene Tendenz der Preisbildung der Bodenprodukte und der Industrieprodukte erklärt. Das Kostengesetz selbst wird jedoch durch sie nicht berührt, denn ob die Kosten steigen oder sinken, sie beherrschen die Preisbildung. Ja noch mehr. Es gilt das Kostengesetz in unabgeänderter Form, ob es sich um den zunehmenden, oder den abnehmenden Ertrag handelt. Es tritt stets als Gesetz der höchsten Kosten in Kraft, nämlich in dem Sinne, dass im Preise die Kosten des Grenzproduzenten, also jenes Produzenten ersetzt werden müssen, dessen Produkt für das Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage noch nötig ist. Stellt sich nämlich der Preis niedriger, si kann die nötige Menge nicht zu Markte gebracht werden, und es muss der Preis steigen. Also auch bei zunehmenden Ertrage sind die höchsten Kosten preisbestimmend, nur ist hier die Preistendenz sinkend, falls die Nachfrage ausdehnungsfähig ist.

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Von der Überlegung ausgehend, dass es kaum die Kosten eines einzigen Produzenten sein können, welche den Preis bestimmen, hat Marshall das Kostengesetz dahin ausgelegt, dass in der Landwirtschaft das Gesetz der höchsten Kosten, bei zunehmenden Ertrage hingegen die Kosten der representativen Erzeuger entscheidend sind, worunter Produzenten zu verstehen sind, welche das Gut unter durchschnittlichen Verhältnissen erzeugen. Lexis hat darauf hingewiesen, dass der Preis hauptsächlich duch jene Erzeuger beeinflusst wird, welche den überwiegenden Teil des Angebotes zu Markte bringen.

22 Würdigung der klassischen Preislehre

Die Klassiker haben die schon vorhandenen Kenntnisse über die Preisbildung planmäßig ausgebaut. Sie haben vor allem das Kostengesetz als Verbindungsglied zwischen Wert und Preis tiefer durchgearbeitet und den Einfluss der technischen Momente auf den Preis hervorgekehrt. Indem sie hierbei die Einwirkung der Ertragslehre berücksichtigen, haben sie die vorgefundene Preislehre erheblich vertieft. Auch haben sie schon erkannt, dass das Kostengesetz nicht für alle Güter gilt.

Allerdings haben sie die Tragweite dieser Einengung des Kostengesetzes infolge ihrer Lehre vom Wettbewerb nicht erfasst. Sie unterschieden wohl zwischen Wettbewerbspreis und Monopolpreis, worin entschieden ein Fortschritt lag, unterschätzten hingegen das Gebiet des letzteren, indem sie hierbei vornehmlich die Seltenheitsgüter vor Augen hatten.

Doch standen den Ergebnissen der klassischen Preislehre schwere Schattenseiten gegenüber. Zunächst die Unbestimmtheit des grundlegenden Begriffes, nämlich des Kostenbegriffes. Gipfelt ihre Preislehre bezüglich der vermehrbaren Güter im Einflusse der Produktionskosten, so sollte doch ein ganz bestimmter Begriff der Kosten den Ausgangspunkt bilden. Dies war jedoch nicht der Fall, denn dieser Begriff schwankte bedenklich zwischen der verkehrswirtschaftlichen (die Entlohnung der Produktionskräfte) und der volkswirtschaftlichen Auffassung (Arbeit und Materialien).

Aber die Schwierigkeiten reichen noch weiter. Wir sahen, dass der freie Wettbewerb die unerlässliche Grundlage für die Wirkung des Kostengesetzes bildet. Wenn also Cairnes jene Hindernisse aufgedeckt hat, welche der Freiheit des Wettbewerbes im Wege stehen, so musste hierdurch das Kostengesetz einen argen Stoß erleiden. Es ist jedoch nicht schwer zu beweisen, dass Cairnes die Hindernisse des freien Wettbewerbes noch gar nicht in ihrem ganzen Umfange erkannte.

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Geriet so das Kostengesetz bedenktlich ins Wanken, so wurde eine andere Schwäche der Preislehre zwar verschiedentlich durch Stuart Mill gestreift, doch als Unvollständigkeit der Preiserklärung damals kaum gewürdigt. Es ist dies die Unzugänglichkeit der Nachfrageseite für die klassische Preislehre. Steuart, in Deutschland besonders Hermann, haben wohl den Einfluss der Zahlungsfähigkeit der Käufer auf den Preis erkannt und Smith münzte den Begriff der wirksamen Nachfrage. Weiter kam man aber nicht. Was hatte es aber für einen Sinn vom Gesetz des Angebotes und der Nachfrage zu sprechen, wenn die Nachfrage nicht ergründet werden konnte?

Die Lösung war auf der Grundlage der klassischen Lehre absolut nicht zu finden. Nur eine subjektive Preislehre kann sie bieten und hier liegt der Grund für das Umsichgreifen der langsam heranreifenden subjektiven Preistheorie.

23 Die Ausgangspunkte der subjektiven Preistheorie

Was der klassischen Lehre nicht gelingen wollte und auch nicht gelingen konnte, nämlich das Eindringen in das Wesen der Nachfrage, war für die subjektive Werttheorie selbstverständlich. Ihre subjektivistische Einstellung musste sie von Anfang an dazu disponieren, dem Zusammenhang zwischen den subjektiven Beweggründen des wirtschaftlichen Handelns, den Erwägungen der Marktparteien und der Preisbildung nachzuspüren und so vor allem die Nachfrageseite zu untersuchen.

Allerdings war es auch für sie kein Leichtes, den Weg hier zu finden, denn was half es, wenn schon Davanzati, Montanari und Galiani den Zusammenhang der Preise mit der Nützlichkeit betonten, ohne in das Wesen der Nachfrage näher eindringen zu können. Die Hervorhebung der Seltenheit als Preisfaktor seitens Condillacs und Seniors war gewiss wichtig für die Wertlehre, für die Preislehre brachte sie jedoch in ihrer Unmittelbarkeit blutwenig.

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Die Zerlegung der Nachfrage in ihre Komponenten war eine der wichtigsten Voraussetzungen für die richtige Erfassung des Wesens der Nachfrage in ihrem Verhältnis zum Preis. Solange zwischen Wert und Preis nicht klar unterschieden wurde, konnte auch das Verhältnis des Preises zu seinem subjektiven Bestimmungsgründen nicht verstanden, sondern nur geahnt werden. Tatsächlich steht es hiermit bei den italienischen Vorläufern der subjektiven Werttheorie ebenso schlecht, wie bei den objektiven Werttheoretikern. Wert und Preis werden vermengt und der Wert wird auch, wenn er mit subjektiven Beweggründen in Verbindung gebracht wird, einfach als Tauschfähigkeit aufgefasst. Doch schon bei Condillac beginnt einen Scheidung der beiden Begriffe, indem der Wert als subjektives Urteil über die Bedeutung der Güter, der Preis hingegen als eine Resultante, als ein Aufeinanderwirken von Wertschätzungen am Markte begriffen wird. Ähnlich bei Turgot, auch bei Schaeffle und besonders bei Hermann, und letzterer betrachtet den Gebrauchswert direkt als Wurzel des Preises. So erklärt sich das Verhältnis von Wert und Preis als ein genetisches Verhältnis und es reift der Gedanke. Dass die Preise durch subjektive Werturteile mit der Nachfrage zusammenhängen und als Aufeinanderwirkung dieser entstehen. So wird besonders durch deutsche Theoretiker die Ansicht entwickelt, dass der Wert (als Gebrauchswertschätzung) von der Nachfrageseite her und in Verbindung mit der Zahlungsfähigkeit die Grundlage des Preises ist.

Langsam wird auch ein zweites Hindernis der subjektiven Preislehre aus dem Wege geräumt. Es ist dies die Ansicht, dass es sich bei der Preisbildung um Wertäquivalente handelt. Sie wurde von der Mehrzahl der Physiokraten vertreten und erst Turgot und Condillac wenden sich gegen sie und betonen, dass der Beweggrund des Tausches eben in der ungleichen Bedeutung der gegeneinander ausgetauschten Güter liegt. Schon bei Rau zeigt sich dann ein weiterer Schritt, indem er erkennt, dass die Wertschätzung der Parteien die obere Grenze für den zu gewährenden Preis bildet.

Nachdem sich einmal diese Gedanken durchgerungen haben, war die Bahn für den Gedanken frei, die Grundlagen der Preisbildung im Bedürfnisstande der tauschenden Parteien zu suchen. Der Tausch bedeutet eine Verbesserung der Wirtschaftslage beider Parteien, indem jede derselben deshalb tauscht, weil es das zu erwerben gesuchte Gut höher schätzt, als das dafür hinzugebende Gut. Hieraus ergeben sich schon auch die zwei auf subjektiver Basis ruhenden Grundgesetze des Tausches, nämlich dass jeder solange tauscht, bis für seinen Bedürfnisstand sich hieraus ein Vorteil ergibt, und dass es jede Partei vorzieht, falls die Marktlage die erfordert, lieber mit einem geringeren Gewinn zu tauschen, als dem Tausche ferne zu bleiben, solange hieraus noch ein Gewinn erwächst. Klar formuliert wurden diese zwei Preisgesetze durch Karl Menger.

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