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Die eben ausgeführten Erwägungen mussten notwendigerweise dazu führen, das Grundgesetz der Preisbildung aus den subjektiven Wertschätzungen der Marktparteien und aus jener Wirkung zu entwickeln, welche der Tausch auf die wirtschaftliche Lage, auf den Bedürfnisstand der tauschenden Parteien ausübt. Menger, Jevons und Walras betraten diesen Weg.
Vom isolierten, also außermarktlichen Tausche ausgehend, beginnt Menger seine Ausführungen mit der Feststellung, dass der Anbieter einer Ware nur dann zum Tausche bereit sein wird, wenn ihm für sein Gut von einem anderen Gut wenigstens soviel geboten wird, als dasselbe seiner subjektiven Schätzung nach im anderen Gute ausgedrückt wert ist. Die andere Tauschpartei wird ebenso verfahren.
Wenn also A 100 Scheffel seines Getreides gleich 40 Eimer Wein bewertet, so kann er nur dann mit jemanden, der Getreide für seinen Wein bietet, einen Tausch eingehen, wenn das andere Wirtschaftssubjekt dem Getreide gegenüber dem Weine einen geringeren Wert beimisst, wenn also z. B. B 40 Eimer Wein gleich 80 Scheffel Getreide bewertet. In diesem Falle wird der Tausch zustande kommen, und es muss sich der Preis von 40 Eimer Wein zwischen 80 und 100 Scheffel Getreide stellen.
So gelangt Menger zu dem wichtigen Ergebnisse, dass sich aus den subjektiven Wertschätzungen der Marktparteien zwei Preisgrenzen ergeben, innerhalb welcher sich der Preis feststellen muss. Zweitens aber gelangt er zu der wichtigen Feststellung, dass sich der Preis innerhalb dieser zwei Grenzen irgendwo festsetzen kann, je nach dem Ergebnisse des Feilschens beider Parteien. Jede der beiden Parteien hat schon ihren Vorteil vom Tausche, wenn sich der Preis so stellt, dass sie vom anderen Gute etwas mehr erhält, als ihrer vergleichbaren Schätzung entspricht. Jede Marktpartei wird aber bestrebt sein, den Preis möglichst so zu gestalten, dass sich ihr Tauschgewinn je höher stellt, dass sie also je mehr vom anderen Gute erhält.
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Auf dem Markte, meint Menger, bleiben die Grundlagen der Preisbildung dieselben. Die Abweichung vom isolierten Tausche besteht nur darin, dass der Wettbewerb eine Einengung der Preisgrenzen zur Folge hat. Denn falls mehrere Personen um die Erlangung einer Ware wetteifern, werden diejenigen, die die Ware höher schätzen, ihr Preisangebot solange erhöhen, bis die Parteien, welche nur weniger für das Gut zu geben geneigt sind, vom Tausche verdrängt sind, weil eben der zu zahlende Preis ihre Wertschätzung schon übersteigt. Die Käufer werden so vom Tausche ausgeschlossen und dasselbe geschieht - nur in entgegengesetzter Richtung - mit den weniger tauschfähigen Verkäufern, die zu viel für ihre Ware verlangen. Demnach muss der Preis zwischen jene Grenzen fallen, welche durch die Wertschätzung jener Parteien gegeben sind, die das auszutauschende Gut am geringsten, das einzutauschende Gut hingegen am höchsten bewerten. Diese Parteien werden als die tauschfähigsten Parteien bezeichnet. Sowohl seitens des Angebotes als seitens der Nachfrage kommen als preisbestimmende Faktoren also zwei Schätzungen in Betracht. Einerseits die Schätzung der in der Reihe des Angebotes, bzw. der Nachfrage noch eben zum Tausche gelangenden Parteien, also die Schätzungen der unter dem tatsächlichen zum Tausche kommenden Parteien am wenigsten tauschkräftigsten Subjekte, andererseits aber sowohl auf der Seite des Angebotes als auch auf jener der Nachfrage die Wertschätzung jener Parteien, welche unter den schon zum Tausche gelangenden Parteien die tauschfähigsten sind, welche also bei einer Veränderung der Marktlage als nächste zum Tausche kommen können. Dieses von Böhm-Bawerk klar formulierte Gesetz erhielt von ihm den Namen des Gesetzes der Grenzpaare.
Eine beachtenswerte Vertiefung verdankt die subjektive Preislehre den Ausführungen von Seager und Hobson. Sie haben gezeigt, dass der Preis innerhalb der Preisgrenzen eine ziemliche Bewegungsfreiheit besitzt, welche jener Partei einen Vorteil sichert, die über größere Marktkenntnis und über größere Geschicklichkeit im Tausche verfügt oder sonst außerwirtschaftliche Einflüsse innerhalb des Tausches in Bewegung setzen kann. Hobson nennt diesen Gewinn forced gain (erzwungener Gewinn).
Clark und Seligman waren wiederum bestrebt, den Atomismus der österreichischen Preislehre zu mildern, indem sie die Marktparteien nicht individuell, sondern als Gesellschaftsklassen auffassen. So tritt die gesellschaftliche Schichtung des Marktes als Massenerscheinung in den Vordergrund, und an die Stelle des Grenzkäufers tritt die Grenzklasse, d. h. jene Schicht, welche noch eben geneigt ist, die Ware zu erwerben.
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Unter der ersten Einwirkung der neuen Gedankenreihe neigten die Vertreter der subjektiven Preistheorie der Ansicht zu, dem Kostengesetze jede Bedeutung abzusprechen. Doch musste bald erkannt werden, dass die subjektive Auffassung des Wertes keineswegs zu einem solchen Schlusse berechtigt. Denn hier handelt es sich nicht mehr darum, ob Produktivgüter oder Genussgüter, Kosten oder Nutzen die Grundlage der Wertbildung sind, sondern nur um die Frage, ob es zutrifft, dass bei gewissen Waren, bei den beliebig vermehrbaren Gütern, der Mechanismus des Marktes den Preis auf das Niveau der Produktionskosten senkt.
Bei der Erörterung dieser Frage musste es sich bald zeigen, dass jene Überlegung, auf welcher das Kostengesetz als Preisgesetz ruht, sich nicht nur gut mit der neuen Wertlehre verträgt, sondern mit ihren Grundlagen direkt im Einklange ist. Denn wenn die klassische Lehre meint, es werde das Angebot beliebig vermehrbarer Güter solange gesteigert, bis der Preis auf das Niveau ihrer Erzeugungskosten sinkt, so ist der Inhalt dieses Satzes jenem Satze der neuen Wertlehre sehr verwandt, dass jedem Produktionszweige so lange Produktivgüter zugeführt werden, bis der erreichte Wert den Grenznutzen übersteigt. Dem Wesen nach handelt es sich in der klassischen Lehre, wie in der Grenznutzenlehre um dasselbe Prinzip, um die Vermehrung des Angebotes, solange der Sättigungsgrad eines Produktionszweiges nicht erreicht wird, was dann der Fall ist, wenn sich Preis und Produktionskosten berühren.
Am klarsten hat dies Clark herausgearbeitet, indem er darauf hinwies, dass der Angelpunkt der Lehre von den Grenzpaaren in der Bestimmung der Menge der zu Markte kommenden Waren liegt. Von ihr hängt es ab, welche Paare zu Grenzpaaren werden. Auch Davenport lehrt ähnliches. Clark spricht direkt von einer natürlichen Menge der Güter, welche bei freiem Wettbewerb zu Markte gebracht wird, und welche den Preis den Kosten gleichsetzt. So wird denn auch das Kostengesetz von Böhm-Bawerk und von Wieser als Preisgesetz anerkannt, wenn auch freilich nicht als Hauptgesetz der Preisbildung.
Während die klassische Schule den Preis als Ausdruck der objektiv-technischen Gegebenheiten der Produktion betrachtet - nur der Monopolpreis bildet für sie eine Ausnahme -, führt die Grenznutzenlehre den Preis auf subjektive Momente, auf Wertschätzungen zurück. Böhm-Bawerk sagt mit nicht geringem Stolze, dass in der Preisbildung nichts zu finden sei, was nicht auf subjektiver Grundlage erklärt werden könnte. Hierin liegt gewiss eine Vernachlässigung der objektiven Momente der Preisbildung, auch wenn anerkannt wird, dass die objektiv-technischen Bedingungen auf dem Umwege der Wertschätzung auf den Preis Einfluss nehmen. Immerhin haben wir es hier mehr mit einer einseitigen Formulierung des Preisgesetzes zu tun.
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Schon schwerer ist dem Einwande zu begegnen, welche Mac Vane, Cornélissen und Scharling erhoben, dass nämlich die Grenznutzenlehre nur einen Preisfaktor anerkenne, nämlich die Schätzung der Käufer. Da nämlich das Angebot die Waren in einer Menge erzeugt, lautet der Einwand, welche den Grenznutzen auf Null herabsinken lässt, können nur die Schätzung der Käufer in Betracht kommen. Viele Vertreter der Grenznutzenlehre haben auch tatsächlich diesen Standpunkt eingenommen. Demgegenüber hat Philippovich hervorgehoben, es handele sich in der Regel auf Seiten des Angebotes nicht um den Gebrauchswert, sondern um den subjektiven Tauschwert der Ware. Hiergegen hat wiederum Padan eingewendet, diesem gehe jede Selbständigkeit ab, da er nur auf Grund der objektiven Marktverhältnisse zu ermitteln sei. Diese Schwierigkeit ist tatsächlich nur zu beseitigen, wenn man die Wertschätzung der Verkäufer mit den Produktionskosten auf objektiver Grundlage in Verbindung bringt, indem die Auslegung der marktlich bestimmten Produktionskosten durch die Erzeuger eine Preisgrenze ergibt, welche ohne Verlust nicht unterschritten werden kann. Für subjektive Werturteile bleibt deshalb Raum, denn erstens hängen die Produktionskosten auch von subjektiven Momenten (Betriebsorganisation usw.) ab, zweitens wird tatsächlich durch die Erzeuger der Waren eine Rentabilitätserwägung angestellt. Bei dieser Auslegung der subjektiven Preistheorie entfällt der Einwand Scharlings, dass sie keinen objektiven Preisfaktor anerkenne. Es zeigen sich vielmehr die Schätzungen der Parteien als jenes Prisma, durch welches alle Preisfaktoren, auch die objektiven reflektiert werden.
Viel schwerwiegender ist der von Amonn am klarsten formulierte Einwand, dass auch die subjektive Preistheorie Angebot und Nachfrage als bestimmte Größen behandelt, welche in gegenseitiger Einwirkung den Preis bestimmen. Sie hängt also gewissermaßen in der Luft, denn sie berücksichtigt nicht, dass weder die Nachfrage, auf welche sie das Hauptgewicht legt, noch aber das Angebot von Anfang an gegeben Größen sind, sondern beide vom Preis beeinflusst werden. Der Versuch Clarks zur Behebung dieser Schwierigkeit ist sicherlich beachtenswert, kann aber deshalb nicht befriedigen, weil er nur so weit kommt, festzustellen, dass die angebotene Menge nichts willkürliches sei, für die Nachfrage hingegen nicht einmal den Versuch macht, ihre Größe zu bestimmen.
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