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Nachdem sich die Wissenschaft mühsam zu einer entsprechenden Verklausulierung der Quantitätstheorie aufgerungen hat, ist im 20. Jahrhundert die mechanische Quantitätstheorie wieder zum neuen Leben erwacht. Natürlich ist das wissenschaftliche Gerüst, auf welchem sie heute aufgebaut wird, nicht jenes von Davanzati, sondern um vieles komplizierter. Es kann nicht mehr stillschweigend darüber hinweggegangen werden, dass die Umlaufgeschwindigkeit, der Stand der Bankdepositen und ähnliche Momente einen Einfluss auf das Verhältnis zwischen Geldmenge und Preise ausüben können.
Das Bestreben ihrer Vertreter von heute geht dahin, die Quantitätstheorie in ihrem formalen Inhalte zu fassen und sie in eine mechanische Formel zu gießen, wobei einerseits die Geldmenge - diese wird nun mit Einbeziehung der papierenen Umlaufmittel, sowie der Bankdepositen gefasst, - und die Umlaufgeschwindigkeit, andererseits das Handelsvolumen, also die umgesetzten Waren, sowie der Preise in eine Gleichung gesetzt werden (Verkehrsgleichung). Als Ausgangspunkt dient der Grundgedanke der mathematischen Preislehre, wonach der Markt sich auf Grund der gegebenen Marktdaten ins Gleichgewicht zu setzen trachtet. Die allgemeine Fassung lautet sonach, dass die Geldmenge multipliziert mit der Umlaufgeschwindigkeit dem allgemeinen Preisstande gleich sein muss, Irving Fisher, Cassel, Schumpeter, Keynes, Kemmerer, Robertson und andere vertreten die Quantitätstheorie auf dieser Grundlage, wobei neuestens besonders der kredittheoretischen Seite des Problems - übrigens schon seit Wicksell - besondere Beachtung geschenkt wird.
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Am meisten bekannt ist die Verkehrsgleichung Irving Fishers. Er sucht vor allem zu beweisen, dass der Stand der Bankdepositen nicht als den Zusammenhang störendes Moment zu betrachten ist, weil er durch Gewohnheit geregelt sich der Geldmenge anbequemt. Außer der Geldmenge haben seiner Ansicht nach bloß die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes sowie das Volumen des Umsatzes auf das Preisniveau einen Einfluss. Nachdem aber diese Größen seiner Ansicht nach voneinander unabhängig sind, meint er, sei die Preisbeeinflussung durch folgende Gleichung auszudrücken: G×U = p×Q, wobei G die Geldmenge, U die Umlaufgeschwindigkeit, p die Preise, Q den Güterumsatz bedeuten. Sonach können drei, wie Fisher meint, voneinander unabhängige Faktoren die Preise beeinflussen; diese sind die Geldmenge, die Umlaufgeschwindigkeit und der Güterumsatz. Vergrößern sich die Geldmenge oder die Umlaufgeschwindigkeit, so müssen die Preise in derselben Proportion steigen, während die Vergrößerung des Güterumsatzes zu einer proportionalen Preissenkung führt. Ähnliche Gleichungen stellen Cassel, Schumpter, Kemmerer und Keynes auf.
Es ist diesen Formulierungen, besonders von Laughlin entgegengehalten worden, dass sie eine Selbstverständlichkeit in eine Formel kleiden, weil beide Seiten der Gleichung dasselbe, nur einmal von der Geld-, das andere Mal von der Warenseite ausdrücken. Die Hauptfrage liegt jedenfalls darin, ob in dieser Gleichung, - gleichviel ob sie in dieser oder jener Form aufgestellt wird, - auch tatsächlich alle Faktoren des Geldwertes enthalten sind. Mit Recht wurde auch bemerkt, dass die Gleichung einen Zusammenhang zum Ausdruck bringt, jedoch selbst noch keine Erklärung enthält. Dass Geldmenge und Preise in irgendeiner Weise zusammenhängen, wird wohl kaum zu bezweifeln sein, ob aber dieser Zusammenhang in den quantitätstheoretischen Gleichungen auch wirklich richtig und umfassend enthalten ist, kann nur ein näheres Eingehen auf die Art des Zusammenhanges auf Grund einer Wert- und Preistheorie beantworten.
Obzwar oft, so z. B. von Helfferich, und sogar von Wicksell, behauptet wurde, die Grenznutzenlehre versage auf dem Gebiete der Geldlehre, so ist doch die Vertiefung der Geldwerttheorie in erster Reihe durch die Gedanken der subjektiven Werttheorie gefördert worden. Sie hat vor allem dazu angeregt, einerseits den Begriff der Geldmenge nicht technisch, sondern aus dem Wesen der Volkswirtschaft heraus zu erfassen, andererseits den Weg zu beleuchten, auf welchem sich die Wirkung einer Veränderung in der Geldmenge auf dem Markte durchsetzt.
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Was das erste betrifft, so kam der Grenznutzenlehre hier ihr „Individualismus“ zur Hilfe. Was Wert besitzt, muss als konkrete, als bestimmte Menge fassbar sein. Beim Gelde muss dies zu einer Anlehnung an den Einkommensbegriff führen. Als Einkommen ist die Geldmenge für ein bestimmtes Subjekt eine gegebene Größe und es gilt auch hier, wie Fetter hervorhebt, der Satz, dass mit steigender Menge der Wert abnimmt. Es ergibt sich so der Begriff der subjektiven, durch den Einkommensstand des Subjektes beeinflussten Tauschwert für das Geld. Dieser wird nach Wieser durch jene Grenzausgaben bestimmt, welche für jedes Subjekt auf Grund seines Einkommens noch zulässig sind. In letzter Reihe ist also der Gebrauchswert jener Güter für jedes Wirtschaftssubjekt geldwertbestimmend, welche durch die letzte Einkommenseinheit gekauft werden.
Dieser subjektive Tauschwert des Geldes ist jedoch noch individuell. Auf den objektiven Geldwert, auf den Preisstand, kann er nur dadurch Einfluss gewinnen, dass er die Marktverhältnisse ändert. Dies geschieht, indem die Vermehrung der Geldmenge die Einkommensverteilung, also die Lage ganzer Gesellschaftsschichten, berührt und für sie so den subjektiven Tauschwert des Geldes senkt. Da diese Schichten das Geld nun geringer schätzen, vermehren sie ihre Nachfrage nach Waren, was den objektiven Tauschwert, die Kaufkraft des Geldes durch Erhöhung der Warenpreise senkt.
Es ist ein wichtiges Ergebnis, dass sie bald gewahren musste, dass eine Geldvermehrung die Preise nie linear, also alle Preise gleichmäßig heben kann. Die Nachfrage nach Waren vermehrt sich ja nicht gleichmäßig für jede Ware und es müssen Verschiebungen in der Kaufkraft des Geldes gegenüber den verschiedenen Waren eintreten. Sonach handelt es sich nie um einfache Preiserhöhungen auf der ganzen Linie, sondern um Preisverschiebungen und so führte diese Kette von Überlegungen zur Theorie der Preisverschiebungen.
Zwiedineck-Südenhorst, Wieser, und Mises haben den Begriff des subjektiven Geldwertes ausgearbeitet, nachdem schon Menger auch auf diesem Gebiete ihnen vorgearbeitet hat. Es ist nicht uninteressant, dass neuestens Hawtrey auf einem ganz anderen Wege zu einem Geldmengenbegriff gelangt, nach welchem ebenfalls zwar nicht unmittelbar der Grenznutzen des Geldes, sondern das ersparte Einkommen als entscheidend für den Einfluss der Geldmenge auf die Preise betrachtet wird.
Die Theorie der Preisverschiebungen ergab sich, nachdem beachtet wurde, dass die Geldmenge nicht unmittelbar mechanisch, sondern auf dem Wege der Einkommensverteilung die Preise beeinflusst. Klar ausgearbeitet wurde diese Theorie hauptsächlich von Spann.
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Von älteren deutschen Werken über Geld seien hier erwähnt: A. Müller: Versuch einer Theorie des Geldes 1816. - Hufeland: Geld und Geldumlauf 1819. - Hoffmann: Die Lehre vom Geld. 1838. - Oppenheim: Die Natur des Geldes. 1855. - Knies: Das Geld 1873. - Hildebrand: Die theorie des Geldes 1883. - Ältere ausländische Werke: W. S. Jevons: Money 1879. - F. A. Walker: Money 1889. - Walras: Théorie de la monnaie 1886. -
Neuere Werke: A. Wagner: Die sozialökonomische Theorie des Geldes. Leipzig 1909. - Helferich: Das Geld. Leipzig 1903 (seitdem 6. Auflage 1923). - Laughlin: Principles of money. New York 1903. -
Knapp: Staatliche Theorie des Geldes. München 1905 (5. Auflage Leipzig 1925). - Mises: Theorie des Geldes und der Umlaufmittel. München und Leipzig 1912 (2. Auflage 1924). - K. Elster: Die Seele des Geldes. 1920. - M. Pályi: Der Streit um die staatliche Theorie des Geldes. München und Leipzig 1922. - Wagemann: Allgemeine Geldlehre. Berlin 1923. - Schumpeter: Das Sozialprodukt und die Rechenpfennige. Archiv für Sozialwissenschaften und Sozialpolitik Band 42. - Irving Fisher: Die Kaufkraft des Geldes. Übersetzung von Stecker, Berlin 1916. - Wieser: Der Geldwert und seine Veränderungen. Schriften des Vereins für Sozialpolitik. Band 132 (1910). - Zwiedineck-Südenhorst: Das Einkommen als Geldwertbestimmungsgrund. Schmollers Jahrbuch, Jahrgang 33 (1909). - Hawtrey: Währung und Kredit. Deutsch von L. Oppenheimer. Jena 1922. - Cassel: Das Geldproblem der Welt. München 1921. - Moll: Die Logik des Geldes. 2. Auflage 1922.
Bezüglich Dogmengeschichte: Monroe: Monetary theories before A. Smith, Cambridge (Massachusetts) 1923. - Altmann: Zur deutschen Geldlehre des 19. Jahrhunderts in der Schmoller Festschrift. I. Leipzig 1908. - Hoffmann: Kritische Dogmengeschichte der Geldwerttheorien. Leipzig 1907. - Döhring: Die Geldtheorien seit Knapp. 2. Auflage Greifswald 1922. - Pályi: Ungelöste Fragen der Geldtheorie. Festgabe für Brentano. II. München und Leipzig 1925. -
Noch ehe die Probleme des Wertes, des Preises und der Einkommensverteilung als Fragen des Wirtschaftslebens erfasst wurden, und man auf diese Weise das innere Leben der Volkswirtschaft näher zu untersuchen begann, richtete sich schon das Interesse auf ein Problem, welches die Volkswirtschaft als Ganzes, als große Einheit betrachtet und ihr Verhältnis zu ähnlichen Einheiten beinhaltet. Es ist sozusagen eine Ansicht der Volkswirtschaft aus der Vogelschau. Der komplizierte Bau der einzelnen Volkswirtschaften, die Mannigfaltigkeit ihrer Lebenserscheinungen wird noch bemerkt, aber schon erkannt, dass es ein Getümmel der Volkswirtschaften, ein wirtschaftliches Ineinanderwirken von großen Körpern, welche zunächst der damals geläufigen Auffassung in erster Reihe als Staaten sich zeigen, gibt. Auf diese Weise entstand das Problem des Außenhandels, indem, immer in enger Anlehnung an das Staatswesen, die Frage auftaucht, ob eine wirtschaftliche Berührung mit anderen Staaten von Vorteilen begleitet ist?
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Wenn wir systematisch vorgehend das Wertproblem an die Spitze der volkswirtschaftlichen Fragen stellen mussten, so verhielt sich genetisch die Sache anders, denn das Problem des Außenhandels wurde geradezu zum Tor der weiteren Problemstellung, indem die Untersuchung der mit derselben zusammenhängenden Fragen immer tiefer in das Wesen der Volkswirtschaft hineinführte und nach der Reihe die oben erörterten Probleme aufwarf. Man musste ja rasch zur Erkenntnis gelangen, dass die Gestaltung des Außenhandels von der verschiedenen Beschaffenheit der einzelnen Volkswirtschaften, diese jedoch von einem komplizierten Aufbau derselben abhängt.
Aber das Problem des Außenhandels selbst zeigte sich bald als ein vielseitiger Fragenkomplex. War das Interesse anfangs darauf gerichtet, auf welche Weise Gewinn aus dem Außenhandel entsteht, so musste später die Frage auftauchen, worin der Grund dafür zu suchen sei, dass die einzelnen Volkswirtschaften verschiedene Produkte herstellen und wodurch sie zum Austausch derselben getrieben werden. Und schon zeigte sich eine weitere Frage am Horizonte. Wie gestaltet sich der Zusammenhang zwischen Geldwert und Außenhandel? Ferner: in welcher Weise wirkt der internationale Zahlungsverkehr auf die Lebenserscheinungen der Volkswirtschaft ein? So wurde das ganze Geld- und Währungsproblem mit den Problemen des Außenhandels verquickt und das anfangs so einfach scheinende Problem des Außenhandels wuchs zu einem wahren Fragenkomplexe an.